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LEUCHTKRAFT häufiger aufgeführt und erlebt seither eine regelrechte Erfolgsgeschichte. Wie man sieht, sind Traditionen dem Wandel unterworfen. Das Weihnachtsoratorium ist von seiner Aussage her jedenfalls nicht einfach eine Erzählung vergangener Ereignisse, sondern es weist über sich selbst hinaus auf die Erlösung der Menschheit durch Gott hin, der in Jesus Christus Mensch wird. Die vertrauten Bibelworte werden von einer Musik umrahmt, die uns einlädt, das Geheimnis der Geburt Jesu mit allen Sinnen zu erfahren. Jubelnde Chöre wie der Eingangschor der ersten Kantate („Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage…“) lassen die Freude über die Ankunft Gottes in der Welt lebendig erfahren, während innige Arien und Choräle zur persönlichen Besinnung führen. Musik und Wort verbinden sich so, dass der Glaube nicht allein mit dem Verstand erfasst, sondern auch im Herzen gespürt wird. „Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du gingest ewiglich verloren.“ Angelus Silesius Bach verkündigt das Evangelium, damit der Zuhörer die Botschaft von Weihnachten als eine persönliche Angelegenheit annehmen kann. Die methodischen Schritte ähneln der Liturgie im Gottesdienst. Am Beispiel der Kantate für den Dritten Weihnachtstag möchte ich dieses zeigen. Thematisch geht da es um die Anbetung Jesu durch die Hirten, nachdem ihnen der Engel die Geburt des Heilandes verkündigt hat. Auf den Eingangschor („Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen, … wenn dich dein Zion mit Psalmen erhöht“) folgt der Tenor mit dem Tagesevangelium. Die Hirten sprachen untereinander: „Lasset uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist …“ Das anschließende Rezitativ legt wie eine Predigt aus, worin hier das Handeln Gottes besteht: „Er hat sein Volk getröst‘, er hat sein Israel erlöst“. Wie im Gebet nach der Predigt nimmt eine dann folgende Arie die persönliche Ebene der Botschaft auf: „Schließe, meine Herze, dies selige Wunder fest in deinen Glauben ein!“. Der Chor antwortet anstelle der Gemeinde auf das Evangelium: „Ich will dich mit Fleiß bewahren…“ Das Weihnachtsoratorium ist damit nicht nur kulturelles Erbe, sondern ein geistlicher Schatz unserer Kirche. Es öffnet das Herz für die Botschaft von Weihnachten und ist ein Ort der Begegnung: Für diejenigen, die Bach als tiefsinnigen Exegesen des biblischen Wortes hören und auch für diejenigen, die sich von der Musik begeistern lassen und im Weihnachtsoratorium ein Angebot haben, sich auf eine tiefere Dimension von Weihnachten einzulassen. Dietmar Otte Zur Verteilung offene Straßen Sutthauser Str. 233–277, ca. 15 Exemplare Sutthauser Str. 83–221, ca. 144 Exemplare Jugendliche unter 18 Jahren erhalten von uns pro zu verteilendem Exemplar 15 Cent als Taschengeld! 6 SÜDWIND 106 | Nov. 25–Feb. 2026

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